Haushaltsrede der Ratinger Grünen

Hermann Pöhling, stellv. Fraktionsvorsitzender Grüne Ratingen
Hermann Pöhling

In der heutigen Ratsitzung wird der Etat der Stadt Ratingen für das Jahr 2015 beschlossen. Für die Ratinger Grünen hält dieses Jahr Hermann Pöhling, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, die Rede zum Haushalt 2015:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen aus Rat und Verwaltung,
verehrte Bürgerinnen und Bürger!

Ende der 70er Jahre gab es einen erfolgreichen Schlager, an den sich die Oldies unter uns vielleicht erinnern können. In dem Schlager hieß es: „Das bisschen Haushalt macht sich von allein – das bisschen Haushalt kann so schlimm nicht sein“.

Beim städtischen Haushalt 2015 sieht es anders aus – der Kämmerer hat das in seiner Haushaltsrede und dem Haushaltsentwurf deutlich gemacht: Es fehlen uns voraussichtlich (Stand heute) mehr als 8 Millionen Euro – und das ist schlimm.

Beeindruckt hat das bisher offenbar nur wenige Menschen, was nicht überrascht, denn 8 Millionen Euro sind so abstrakt, dass man sie sich nicht wirklich vorstellen kann. Beträge im drei- oder vierstelligen Bereich hingegen hat man schon mal selbst in der Hand oder auf dem Konto. Deshalb gelten Einsparvorschläge auch gerne den kleineren Haushaltsansätzen, vor allem im sozialen Bereich, nach dem Motto „irgendwo muss man ja schließlich anfangen zu sparen“. Deshalb erhalten wir auch weiterhin zahlreiche Anträge aus Vereinen und Organisationen mit dem Ansinnen, dass dieses oder jenes Vorhaben zum weltweiten Ruhme der Stadt Ratingen unbedingt unterstützt werden müsse. Und deshalb reden wir nach meinem Eindruck besonders lang über kleine und besonders kurz über hohe Beträge.

Wie intensiv wurde beispielsweise um den „Zuschuss zu den Personalkosten einer Aufsichtsperson an Schultoiletten der weiterführenden Schulen“ gerungen, um die Frage, ob er nicht auch auf Grundschulen und demnächst womöglich auf KiTa’s ausgedehnt werden müsste? Auch die angedachte Abschaffung des Dreck-Weg-Tags beschäftigte einige von uns. Was mir dabei mehr Sorge macht als die Kostenseite ist die Erkenntnis, dass wir gar nicht mehr nach den Verursachern fragen! Wir beschäftigen uns nur noch mit den Auswirkungen! Wir nehmen Vermüllung und Verdreckung als unabänderlich hin und regeln lieber deren Beseitigung.

Aber wir nehmen ja auch den Abgesang des EEA-Prozesses mit der als Lesestoff empfehlenswerten Vorlage 71/2015 hin, ein geschickt formulierter Ausstieg, ohne das Wort Ausstieg zu erwähnen. Auch wenn wir mittlerweile wieder drin zu sein scheinen, so ist doch der EEA-Prozess bislang in Wahrheit gescheitert, wir haben es nicht geschafft, die Klimaziele für den Award zu erreichen, das ist die Kernaussage und sie ist wirklich schlimm! Es nützt nichts, Begründungen wie die Ogata für höheren CO2-Ausstoß zu nennen, denn einerseits haben andere Städte das gleiche Problem und schaffen es trotzdem, andererseits nimmt der Klimawandel selbst auf gute Argumente keine Rücksicht.

Am 22. April 2008, also noch in der vorletzten Ratsperiode, fasste der Rat einstimmig und auf Antrag aller Fraktionen und mit Unterstützung des Klimabeirates einen vermeintlich bahnbrechenden Beschluss – ich lese ihn mal kurz vor: „Der Rat stimmt dem von den Fraktionen der Bürger-Union, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und mit Unterstützung des Klimabeirates erstellten, nachfolgenden Aktionsplan Klimaschutz-Programm gegen den Klimawandel in der Stadt Ratingen zu.“ Der Aktionsplan gliedert sich dann in fünf Bereiche, wie man im Ratsprotokoll nachlesen kann.

Dazu passt nun – wie die Faust aufs Auge – die Vorlage 70/2015 zur Erstellung eines Klimaschutzkonzeptes mit dem schönen Satz: „Da die Stadtverwaltung die Aufstellung des integrierten Klimaschutz- und Stadtentwicklungskonzeptes nicht mit eigenem Personal bewältigen kann, ist hierfür eine externe Vergabe erforderlich.“ Zu dieser Erkenntnis haben wir sage und schreibe 7 Jahre gebraucht, 7 mehr oder weniger verlorene Jahre!

Vor ein paar Tagen begeisterte der Kabarettist Christoph Sieber im Ratinger Stadttheater. „Zorn ist eines der wichtigsten Schmiermittel der Demokratie“, hat er gesagt, und: „Die Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem Bösen entgegenstellen, wenn der Zorn ihr dienstbar zur Hand geht“. Vielleicht ist es der Zorn, der uns im Rat manchmal fehlt, Zorn auch auf uns selbst, weil wir weitsichtige Beschlüsse fassen und sie dann aus den Augen verlieren, weil wir der Verwaltung zu viel auf einmal aufbürden und das womöglich ohne Prioritäten zu setzen, weil wir Zeit verplempern…

Aber Selbsterkenntnis kann der erste Schritt zur Besserung sein. Der neue Verwaltungsvorstand zeigt, dass er anpacken will – dafür hat er unsere volle Unterstützung!

Wie schon mehrfach anlässlich einer Haushaltsrede, aber noch nicht vor diesem Rat, sage ich: Egal um welche Entscheidung es sich handelt, immer sollten wir uns fragen, können wir uns diese Ausgabe leisten. Immer sollten wir uns auch fragen, können wir es uns leisten, diese Ausgabe zu unterlassen? Es gilt, unseren finanziellen Handlungsspielraum langfristig zu sichern. Es gilt, Prioritäten zu setzen und auf Dauer nicht mehr Geld auszugeben als eingenommen wird. Es gilt aber auch, für mehr Einnahmen zu sorgen, wenn das Geld für unverzichtbare und unaufschiebbare Ausgaben nicht reicht.

Wir haben in Ratingen starke Unternehmen. Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache. Aber wie viel an Steuern sollen die Unternehmen zahlen? Man kann darüber lange streiten, egal, wie hoch die Steuern gerade sind. Den Kompromiss sehen wir in der Anwendung der fiktiven Hebesätze. Wir halten es für sinnvoll und haben es ja auch schon mehrfach beantragt, dass wir uns an den fiktiven Hebesätzen orientieren, sowohl für die Grund- als auch die Gewerbesteuer! Wir halten es für gerechtfertigt, wenn alle RatingerInnen einschließlich der Unternehmen zur Verbesserung der Haushaltslage beitragen.

Ich fasse zusammen:

  • Es gibt Grund zur Kritik und zur Hoffnung – siehe Klimapolitik.
  • Es ist nicht alles, was gebetsmühlenartig vorgetragen wird, notwendig oder gar finanzierbar – da denke ich an die Parkhausdiskussion.
  • Es ist unsere Aufgabe als Rat, unpopuläre Wahrheiten auszusprechen – dazu gehören auch notwendige Steuererhöhungen.
  • Es gibt gleichwohl keinen Grund für Pessimismus oder gar Panik – das zeigt nicht zuletzt Platz 2 im Ranking der Mittelstädte in NRW!

Mein Schlusssatz gilt unserem Abstimmungsverhalten:

Wenn die heutigen Haushaltsberatungen keine unangenehmen Überraschungen mit sich bringen, ist mit unserer Zustimmung zu rechnen, obwohl der Rat vermutlich die Anwendung der fiktiven Hebesätze in diesem Jahr noch nicht vollumfänglich beschließen wird. Aber da bin ich sicher: das ist nur noch eine Zeitfrage, denn wir können nicht so einfach auf zweieinhalb Millionen Euro an Einnahmen verzichten!

Hermann Pöhling
24.03.2015
(es gilt das gesprochene Wort)